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Standortübergreifende Zusammenarbeit in der Gefäßchirurgie
Das Albertinen Herz- und Gefäßzentrum in Hamburg und das Immanuel Herzzentrum Brandenburg in Bernau b. Berlin stehen bei komplexen gefäßchirurgischen Eingriffen in engem Austausch. Davon profitieren insbesondere Patientinnen und Patienten.
Aneurysmen sind Aussackungen der Hauptschlagader (Aorta), die genau wie Einrisse in der Aortenwand (Aortendissektionen) eine unmittelbar lebensbedrohliche komplette Zerreißung der Hauptschlagader mit sofortigen starken innerlichen Blutungen nach sich ziehen können. Um dieser Gefahr zu begegnen, werden diese schadhaften Stellen der Aorta ab einem gewissen Durchmesser vorsorglich entweder offen durch eine Aortenprothese oder endovaskulär durch eine Aortenstentprothese ersetzt. Im Deutschen Diakonischen Herz- und Gefäßzentrums sind die Expertinnen und Experten im Albertinen Herz- und Gefäßzentrum in Hamburg und im Immanuel Herzzentrum Brandenburg in Bernau bei Berlin gerade auch bei komplexen Eingriffen an der Aorta in einem engen fachlichen Austausch.
So ist in Hamburg jüngst einem 73-jährigen Patienten eine neuartige Endovaskularprothese in den Aortenbogen implantiert worden. Das Team um den gefäßchirurgischen Chefarzt Dr. Lars Kock wurde dabei unterstützt von Dr. Michael Erb, der als Leitender Oberarzt der Gefäßchirurgie im Team von Chefarzt Prof. Dr. Johannes Albes im Immanuel Herzzentrum Brandenburg bereits gute Erfahrungen mit der neuen Prothese erworben hat. Umgekehrt war Dr. Kock in Bernau wenig später unterstützend in Bernau vor Ort, als es darum ging, einen 53-jährigen Patienten mit einer in Deutschland erst seit kurzem auf dem Markt befindlichen patientenindividuell maßgeschneiderten Endovaskularprothese im Bereich der abdominellen Aorta zu versorgen. Dieses Modell ist in Hamburg zuvor bereits mehrfach erfolgreich eingesetzt worden.
Eingriff an der Aorta: Chirurgische und endovaskuläre Verfahren
Grundsätzlich kann ein Eingriff an der Aorta konventionell chirurgisch oder endovaskulär erfolgen. Endovaskulär bedeutet, dass die Prothese mit Hilfe eines Katheters über die Gefäße direkt bis an die betroffene Stelle an der Aorta vorgebracht und dort freigesetzt wird. Das minimalinvasive Verfahren ist dabei deutlich schonender für die Patientinnen und Patienten als eine offene Operation.
Eingriffe am Aortenbogen im oberen Bereich der Hauptschlagader sind besonders anspruchsvoll, weil dort die Arterien zur Versorgung des Kopfes (inklusive des Gehirns), des Halses sowie der Arme entspringen. Die neue Prothese besteht aus dem eigentlichen Aortenbogen-Ersatz sowie einem anhängenden Modul in den aufsteigenden Teil der Herznahen Hauptschlagader, dass sich mit wenig Manipulation optimal an die anatomischen Voraussetzungen vor Ort anpassen lässt und so das Risiko des Auftretens von Schlaganfällen reduziert.
Anspruchsvoller Eingriff in Hamburg …
Der 73-jährige Herbert Kainar aus Cuxhaven wurde am 10. April als erster Patient im Albertinen Herz- und Gefäßzentrum in dem neuen Verfahren operiert. Geplagt durch eine ganze Reihe von Vorerkrankungen, darunter auch eine Endokarditis (Herzkrankzentzündung) mit anschließend notwendigem Ersatz der Aortenklappe durch eine Bioprothese, wurden bei dem Patienten bereits im Januar durch Oberärztin Wiebke Braasch die drei arteriellen Abgänge von dem Aortenbogen durch Gefäßbypässe auf einen einzigen Abzweig reduziert. Am Morgen des 10. April wurden im gesamten OP-Team im Beisein von Dr. Erb und Oberärztin Dr. Christiane Schubert aus Bernau sowie einem Vertreter der Medizinprodukte-Firma sämtliche Schritte des anspruchsvollen Eingriffs im Hybrid-Operationssaal des Albertinen Krankenhauses detailliert vorbesprochen und mit Demo-Material nochmals geprobt. Der Eingriff selbst dauerte knapp drei Stunden und verlief ohne Komplikationen.
Herr Kainar konnte nach bereits fünf Tagen das Krankenhaus selbstständig verlassen und mit dem Zug zurück nach Cuxhaven fahren. Im Juli wurde dann bei dem Patienten die ebenfalls stark erweiterte Brust- und Bauchschlagader durch eine individuell für den Patienten angefertigte Stentprothese mit zwei Ärmchen für die Leber- und Darmarterien und zwei Fenstern für die Nierenarterien behandelt, so dass das Risiko, zukünftig eine Ruptur erleiden, minimiert werden konnte.
„Ich habe die anspruchsvollen Eingriffe sehr gut überstanden, wofür ich Dr. Kock und seinem Team sehr dankbar bin“, betont der Rentner, der bis vor kurzem noch einen kleinen Bauernhof betrieben hat und zuvor bei der Bundesmarine tätig gewesen war.
… und in Bernau
Die Behandlung des im Mai im Immanuel Herzzentrum Brandenburg versorgten 53-jährigen Patienten war kaum weniger komplex: Er hatte vor wenigen Jahren bereits eine Aortendissektion (Typ B) erlitten, worauf ihm ein thorakaler Stent implantiert worden war. Bei der regelmäßigen Kontrolle in der Hochschulambulanz für Herz- und Gefäßchirurgie wurde festgestellt, dass sich die Aorta im Bauchraum in der Folge konstant erweitert hat – ein nicht seltenes Phänomen nach einer Aortendissektion. Zuletzt war das Aneurysma auf einen Gesamtdurchmesser von fast sechs Zentimetern angewachsen, was das Risiko eines Einrisses deutlich erhöhte und ein Handeln erforderlich machte.
Der Patient entschied sich gegen eine offene Operation von fünf bis sieben Stunden mit einem Schnitt vom linken Schulterblatt bis zum Bauchnabel, sondern wählte stattdessen das deutlich schonendere Verfahren einer endovaskulären Operation zur „inneren Abdichtung“ der Hauptschlagader mit Hilfe einer speziell für ihn angefertigten Prothese. Da in diesem Bereich gleich vier große Bauchgefäße - unter anderem die Nierenarterien - von der Aorta aus versorgt werden, ist die Prothese mit vier Öffnungen („fenestrierte Prothese“) konzipiert. Ihre Anfertigung dauert sechs bis 12 Wochen.
Auch hier erfolgte der Eingriff in mehreren Schritten; so konnten die Risiken und dabei insbesondere das Risiko einer Querschnittslähmung minimiert werden: Im Februar wurde zunächst die Aorta im unteren Bauchraum mit einer Standardprothese stabilisiert. Die weitere Versorgung erfolgte dann nach Fertigstellung der Prothese im Mai durch Dr. Erb mit Unterstützung durch Dr. Kock, der das Modell dieser speziellen fenestrierten Prothese in Hamburg bereits mehrfach eingesetzt hat. Die Vorteile liegen in dem schmalen Profil und der guten Sichtbarkeit der Öffnungen im Röntgen bei der OP, die sehr hilft, die Prothese exakt zu platzieren. Der Eingriff dauerte drei Stunden und verlief planmäßig. Der Patient konnte ohne Auffälligkeiten nach ca. einer Woche wieder nach Hause entlassen worden.
Patientinnen und Patienten profitieren
Für die beiden Gefäßspezialisten Dr. Kock und Dr. Erb ist die erfolgreiche Kooperation bei der Implantation der neuartigen endovaskulären Prothesen ein weiteres Zeichen für die gute Zusammenarbeit der beiden Herz- und Gefäßzentren in Hamburg und Bernau unter dem Dach des Deutschen Diakonischen Herz- und Gefäßzentrums: „Der Austausch ist mittlerweile sehr intensiv und beide Seiten profitieren von dem Wissenstransfer – allen voran unsere Patientinnen und Patienten!“
Foto: Das gefäßchirurgische OP-Team in Hamburg